Lernen mit den Jahreszeiten

Lernen mit den Jahreszeiten

Quelle: Basler Zeitung vom 10. Oktober 2017
Autorin: Denise Dollinger

Allschwil. Mucksmäuschenstill sitzen die Mädchen und Buben auf ihren Baumstämmen im Kreis und lauschendem Märchen, das ihr Kindergärtner, Peter Huber, erzählt. «Ei Grossmutter, sagt das Rotkäppli, als es in das Wohnzimmer kommt, was hast du für grosse Ohren!», liest er soeben. Vor jedem Kind steht ein zweiter, höherer Baumstamm, mit einem Essensböxli und einer Thermokanne drauf. Einige der Vier-bis Sechsjährigen schnabulieren noch von ihrer Zwischenverpflegung.

Es ist Znünizeit, als wir an diesem kühlen, grauen Herbstmorgen beim Waldkindergarten Spitzwald eintreffen. Ein Kindergarten, der, wie der Name es bereits sagt, immer im Wald stattfindet. Bei Regen, Sonnenschein oder Schnee. Ein grosser, aus natürlichen Materialien hergestellter Kreis, das sogenannte Waldsofa, in dem die Kleinen im Moment das «Rotkäppli» erzählt bekommen, ist das Zentrum. Darüber ist ein grosses Segel als Dach und zur Witterungsabschirmung gespannt.

Vielfältiger Lernort

Als der Kindergärtner die Geschichte beendet hat und die Kinder das Znüni, geht das Gewusel los. «Peter, dörf ich go spiile?», «Peter, grieg ichno e Seili?», tönt es von allen Seiten.«Zuerst müsst ihr noch euer Böxli in den Rucksack räumen, dann könnt ihr los», antwortet der Kindergärtner. Schnellverstauen die Mädchen und Buben ihre Sachen und springen, in Regenhosen und Windjacken gepackt, los. Ein Mädchenrennt schnurstracks zur Hängematte und lässt sich hineinplumpsen, eine Vierergruppe zieht sich weiterunten im Wald zurück und eine Dreiergruppe Jungs diskutiert darüber, ob sie nun Cowboys oder Polizisten sind.

«Der Wald bietet unzählige Lernmöglichkeiten mit einem starken Bezug zur realen Welt. Gleichgewichts- und Körpersinne werden angeregt, Entdecken und Spiel aus eigenen Impulsen sind in einem hohen Masse möglich. Mit der Bodenhaftung entwickeln die Kinder zudem ein gesundes Selbstvertrauen», sagt Peter Huber. Seit bald zehn Jahren leitet er den Waldkindergarten, und er könnte sich keinen schöneren Job vorstellen, sagt er. In seiner Klasse hat Huber jeweils bis zu zwanzig Kinder – Erst- und Zweitkindergärtler gemischt. Diese betreut und führt er zusammen mit zwei Praktikanten und Praktikantinnen.

Jeweils um 8.30 Uhr besammelt sich die Gruppe am Allschwiler Weiher und marschiert los. «Bis wir beim Waldsofaankommen, dauert es rund eine Stunde», erzählt Huber. «Dies weil wir unterwegs Wartepunkte zum Spielen eingerichtet haben und meist auf dem Weg schon die ersten Entdeckungen machen.» Das kann zum Beispiel ein Frosch sein, der den Weg kreuzt, oder eine Libelle, die vorbeifliegt. «Das Verweilen und Zusammen-unterwegs-Sein ist ein wichtiger Inhalt, die Interaktionenunter den Kindern sind intensiv und vielfältig und ihre soziale Kompetenzwird dabei stark gefördert», erklärt der Kindergärtner.

Auf die Ankunft beim Waldsofa folgt ein geführter rhythmischer Teil, in dem jeweils ein mit der Jahreszeit verbundenes Thema behandelt wird. Das freie Spiel hat einen hohen Stellenwert im Wald, doch wie in einem öffentlichen Kindergarten werden auch die klassischen Kindergarteninhalte wie Singen, Basteln, Malen, Musizieren und Lernen vermittelt. «Die Schwerpunkte müssen der Witterung angepasst werden», erklärt Peter Huber.

Matschsuppe und Schokokuchen

Durch den täglichen Aufenthalt in der freien Natur lernen die Kinder den Wald und die Umgebung mit all seinen Geheimnissen kennen. Dass der Waldein wunderbarer Lernort ist und dass «Pfützen, Matsch, Gerüche, Kälte und Wärme die Sinne anregen», davon ist Sandra Luzia Schafroth überzeugt. Ihr fünfjähriger Sohn ist im zweiten Kindergartenjahr.«Es gibt Eltern, die Angsthaben, dass ihr Kind im Winter draussen friert oder bei Regenwetter nass wird. Doch wer es mal erlebt hat, dem macht das keine Sorgen mehr», sagt sie.

Diese Meinung teilen auch Martin Briner und seine Frau. Auch ihre fünfjährige Tochter gehört zu den Grossen hier. «Es gab noch keinen Tag, wo sie nicht gerne hinging», sagt er. «Wir sind sicher, dass das Angebot eine ideale Basis für die Bodenständigkeit unserer Tochter ist. In einen Schulraum mit vier Wänden kommt sie dann noch früh genug», sagt Briner. «Bis dahin soll sie die vier Elemente in allen Facetten erleben. Inklusive Matschsuppe kochen, Zwergenwelten bauen, <dräggele>, Schnitzen lernen und allem Kreativen, das dazugehört.»

Heute kochen die Kinder keine Matschsuppe – sondern bereiten einen Kuchen vor. Hingebungsvoll schaufeln drei von ihnen mit ihren Händen Erde und kleine Blätter in eine Metallschüssel. Ein viertes rührt konzentriert mit einem Ast in der mit Wasser verquirlten Masse. «Wir machen einen Schoggikuchen, weil wir spielen, dass Gian heute Geburtstag hat», ruft einer von ihnen.«Komm und probier!»

Nicht nur auf dem Waldboden, sondern auch im Waldsofa wird gekocht. Zweimal in der Woche essen die Kindergemeinsam zu Mittag. Die beiden Helferkinder, die heute zur Unterstützung eingeteilt sind, schälen eifrig Rüebli. «lsch do scho alles wäg vo dr Schale?», fragt der Bub und dreht das Rüebli in seinen Fingern. Peter Huber kommt, schaut es sich an und lobt ihn. «Gut hast du das gemacht.» Dieser greift strahlendnach dem nächsten Rüebli.

Waldkindergarten Spitzwald – Einfach umwerfend

Waldkindergarten Spitzwald – Einfach umwerfend

Quelle:  Neubad Magazin, Oktober 2017 / 31 000 Ex. / 8. Jahrgang / Nr. 47 / Seite 18

Welche Farben kann das Herbstlaub haben? Wann fällt der erste Schnee? Wird der Bach diesen Winter wieder gefrieren? Egal in welcher Jahreszeit, der Wald ist immer toll! Am Samstag, dem 11. November, besuchen Interessierte zusammen mit dem Kindergärtner Peter Huber den Waldplatz. Treffpunkt und Abmarsch sind um 9.30 Uhr beim ehemaligen Schiessplatz in Allschwil. Der Anlass dauert bis 12.00 Uhr und gibt allen die Möglichkeit, die spannende Welt eines Waldchindsgi-Kindes kennenzulernen. Wollen Sie Ihrem Kind zwei Jahre Natur pur gönnen? Anmeldungen für den Sommer 2018 sind jetzt möglich.

Waldkindergarten Spitzwald
geschaeftsstelle@waldkinderbasel.ch
www.waldkinderbasel.ch
079 270 37 42

«Ich bin vor allem der Führer zu Erfahrungsorten»

«Ich bin vor allem der Führer zu Erfahrungsorten»

Quelle: Regio Aktuell. Veröffentlicht unter 10-2016

Im Waldkindergarten Spitzwald erfahren Kinder entlang der vier Jahreszeiten, welch wundersame Vielfalt die Natur bereithält – ein spielerisches Lernfeld, für das Kindergartenalter geradezu geschaffen. Die vielen Erlebnisse, die damit verbunden sind, schärfen die Sinne. Und: Das Umfeld in der Natur bietet Entdeckungsmöglichkeiten ohne Ende.

Sein Job ist gleich in zweierlei Hinsicht ungewöhnlich: Peter Huber ist Kindergärtner. Und er arbeitet im Waldkindergarten Spitzwald, dem einzigen, der Kindern aus der ganzen Region offensteht. Dieser befindet sich in Allschwil – genauer, im Langholz, nahe der Oberwilerstrasse. Besucht wird der Waldkindergarten von Kindern im Alter zwischen vier und sechs Jahren aus den beiden Basler Halbkantonen. Die Kinder werden beim Allschwiler Weiher abgeholt. Der Spaziergang zum Waldkindergarten dauert eine gute halbe Stunde. Bereits auf dem Weg in den Kindergarten gibt es viel zu erleben. Pflanzen wollen entdeckt, Steine umgedreht und Kleintiere erforscht werden.

Kreativ und sozialkompetent

Die Natur bietet eine breite Palette von Anregungen, die das Interesse der Kinder wecken. Dies prägt nicht zuletzt die Rolle des Kindergärtners: «Ich bin im Waldkindergarten nicht nur der Moderator, der immer wieder was Neues aus dem Hut zaubert. Ich bin vor allem der Führer zu Erfahrungsorten», so Huber. Es gibt im nahen Umfeld Wiesen, Stellen mit viel Unterholz, Bäche. «Hier gehen wir auf Entdeckungsreisen.» Inspiriert werden die Kinder also vor allem durch die Erscheinungen der Planzen- und Tierwelt. Dazu gehören quakende Frösche im Frühjahr ebenso wie die Blindschleiche, die sich zufällig vorbeischlängelt. Aber auch die Wetterkapriolen, die unser Klima bereithält, bieten vielfältige Anregungen. «Hier draussen müssen wir uns immer auf was Neues einstellen und improvisieren.» Damit, so der Pädagoge, sei eine Stärkung kreativen Handelns und des Selbstvertrauens sowie die Förderung der Sozialkompetenz verbunden.

Das so genannte Waldsofa ist das Zentrum des Waldkindergartens. Es wurde aus natürlichen Materialien hergestellt – mit einer Ausnahme: Das Segel, das gegen die Witterung Schutz bietet, ist aus Kunststoff. Daneben, auf dem Waldplatz, sind Seile und Schaukeln angebracht, es gibt einen gedeckten Basteltisch und selbstgebaute Hütten, den Zwergenplatz, die Hexenküche und vieles mehr. Und hier ist auch der Ausgangspunkt für weitere spannende Ausflüge, wie zum Beispiel zu den Dachshöhlen oder den zahlreichen Bachläufen der Umgebung.

Dieses Umfeld bietet ideale Voraussetzungen, um den morgendlichen Besuch des Kindergartens auf vielfältige Weise zu gestalten. Selbstverständlich gehören auch die Elemente eines Indoor-Kindergartens dazu: Singen, Spiele im Kreis, zeichnen, gestalten, werken.

Für seine Arbeit im Waldkindergarten ist der 42-Jährige auch nach acht Jahren noch motiviert. «Ich habe breit gefächerte Interessen und könnte mir auch vorstellen, den Beruf eines Tages zu wechseln – Erfahrungen, die ich hier im sozialen Bereich sammle, in ein anderes Feld zu verlagern.» Vieles sei in seinem jetzigen Tätigkeitsfeld jedoch abgedeckt. «Zurzeit liegt mein Fokus auf der Weiterentwicklung und Vertiefung meiner Aufgabe.» Gegenwärtig bereitet er das bevorstehende neue Schuljahr vor, wo der Waldkindergarten einen Grossandrang neuer Kinder erwartet.

Kindheit naturnah gedeihen lassen

Betrieben wird der Waldkindergarten seit 2006. Eröffnet wurde er ursprünglich von Exponenten der Waldschule Regio Basel. Zwei Jahre später wurde er von einem gemeinnützigen Trägerverein mit ideellem Zweck übernommen.

Für die Eltern ist der Walkindergarten eine Alternative zu den kantonalen Angeboten, sagt Peter Huber, der den Kindergarten mit zwei Praktikantinnen leitet. Damit werde vor allem dem Bedürfnis der Eltern nachgekommen, ihren Kindern viel Zeit in der Natur zu ermöglichen und dem selbständigen Spielen und Entdecken viel Raum zu geben. Die zweijährige Kindergartenzeit wird bei jedem Wetter im Wald verbracht. «Die Kinder sind aktiv und viel mehr in Bewegung als wir», so Huber. «Ist dies der Fall, sind die Kinder im Spiel, dann mache ich mir auch bei winterlichen Temperaturen keine Sorgen.»

Sommerserie: Eleganz

Sommerserie: Eleganz

Sommerserie «Eleganz» - Waldkindergarten

von Jenny Berg

Es ist morgens 8:20 Uhr. Ein Dutzend Kinder tobt über die grosse Wiese beim Allschwiler Weiher. Jeden Morgen bringen ihre Eltern sie hierher an den Treffpunkt des Waldkindergartens Spitzwald. Die Kinder rennen herum, sie spielen fangen, sie kreischen und lärmen, wie das Chindsgi Kinder ebenso machen. Doch wenn es 8:30 Uhr wird, also die Zeit zu der alle Deutschschweizer Kindergärten mit dem Unterricht starten, dann passiert auch hier an der Wiese beim Allschwiler Weiher etwas. Es ist der Zeitpunkt, an dem die Kinder in den Wald aufbrechen. Doch wie bekommt der Kindergärtner seine Rasselbande zusammen? Ruft er laut die Namen der Kinder, einen nach dem anderen? Nein er tut etwas ganz anderes. Er holt eine Naturtonflöte hervor. Damit spielt er ein Sammlungssignal. Eine Melodie, lose zusammengewürfelt aus den Naturtönen der Flöte. Die Kinder hören diese leisen Töne auch vom ganz anderen Ende der Wiese. Sie rennen herbei und ordnen sich wie von Zauberhand zu einem Päckli Zweierreihen.

Jeden Morgen ereignet sich dieses Schauspiel von Montag bis Freitag, bei Regen Schnee und Sonnenschein und wir Eltern schauen dem Spektakel voller Bewunderung zu. Manch einer wird an das Märchen vom Rattenfänger von Hameln denken, der aus Rache mit seiner Flöte alle Kinder aus dem Dorf in eine Höhle gelockt hat. Zum Glück ist es aber nur der Kindergärtner, der uns jedoch beweist, dass Kinder tatsächlich dem Flötenspiel folgen. Und eleganter als mit einer Naturtonflöte ist eine Schar von Kindern wohl nicht zu bändigen.

Kontakt und weitere Informationen:
geschaeftsstelle@waldkinderbasel.ch
www.waldkinderbasel.ch